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Eugen David

Schweizer Nationalbank: Sieg oder Kapitulation?

Der abrupte Ausstieg der Nationalbank aus der Franken-Euro-Bindung löst bei vielen Patrioten Hochgefühle aus. Die Medien sind voll von überschwänglichen Kommentaren. Endlich sind wir wieder frei und souverän. Die Kosten nehmen wir gerne in Kauf. Zumal wir jetzt mit dem starken Franken im Euroland extrem günstig einkaufen und Ferien machen können.

In Siegesstimmung - wenn auch nicht patriotischer Art - sind sodann die vielen russischen, arabischen, griechischen, chinesischen, afrikanischen etc. Oligarchen mit CHF-Konten bei Schweizer Banken. Die Nationalbank hat sie über Nacht um 20% reicher gemacht.

Weniger Freude haben die vielen ausländischen Städte und Gemeinden, die Schweizerfranken Obligationen ausgegeben haben. Sie fühlen sich über den Tisch gezogen, weil ihre Schuld plötzlich um 20% gewachsen ist.

Wenn sich nach dem donnerstäglichen Donnerschlag der Nebel langsam lichtet, werden die Buchhalter der Schweizer Firmen Bilanzen und Erfolgsrechnungen auf die neuen Gegebenheiten umstellen. Euro- und Dollarguthaben gegenüber Kunden sind auf der Aktivseite um 20% reduziert. 15% des Wertschriftenvermögens haben sich in Luft aufgelöst. Die Frankenschulden ändern sich nicht. Das geht voll ins Eigenkapital.

Im Budget 2015 müssen die Dollar- und Euroeinnahmen um 20% reduziert werden. Auf der Aufwandseite bleibt es bei den Personal- und Sachkosten in CHF. Das Resultat: der budgetierte Gewinn wird zum Verlust.

Was ist zu tun? Preise um 20% erhöhen? Wenn es die Euro- und Dollarkunden akzeptieren, dann ist alles OK. Wenn nicht, muss der Personal- und Sachaufwand in der Schweiz um 20% runter. Das geht zulasten der inländischen Löhne und Lieferanten.

Firmen, welche nur eine globale Oligarchen-Klientel bedienen, wie Banken, Vermögensverwalter, Luxus-Resorts und Luxusuhrenhersteller, können das. Wenn nicht, muss der Personal- und Sachaufwand in der Schweiz um 20% runter. Das heisst: noch mehr EU-Arbeitnehmer beschäftigen, noch mehr EU-Lieferanten berücksichtigen. Oder: das Geschäft in die EU auslagern. Das alles geht zulasten der inländischen Löhne und Lieferanten und der Arbeitsplätze für Schweizer.

Nach solchen buchhalterischen Operationen wird die Euphorie über das Überraschungsgeschenk der Nationalbank wohl etwas nachlassen. Auch weil die Schweizer Einkommensquellen zu 70% vom Euro- und Dollarraum abhängen. Dann wird man fragen dürfen, weshalb die Notenbank solche Risiken, Verluste und Verlustaussichten von ihrer Bilanz auf jene der Schweizer Unternehmen überwälzt hat.

Entgegen ihren Beteuerungen waren die Notenbankdirektoren ausserstande, im Interesse der Schweizer Volkswirtschaft den Franken gegen die Spekulation zu verteidigen. Sie sind von der Menge der globalen Frankenaufkäufe überfahren worden, eingeklemmt zwischen den Währungsblöcken Dollar und Euro. Die Öffentlichkeit haben sie nicht am 15. Januar getäuscht, sondern in den Jahren zuvor, seit 2011, und zwar über die tatsächlichen Möglichkeiten ihrer versprochenen autonomen Währungspolitik.

Die SNB-Direktoren meinten noch zuletzt, mit einem Negativzins von 3/4% könnten sie die spekulative Aufwertung am Markt stoppen. Auch diese letzte Darstellung des eigenen Steuerungspotentials erwies sich als falsch. Die Entschuldigung “Der Markt hat überreagiert“ legt die Hilflosigkeit bloss.

Die SNB hat die Herrschaft über den Schweizer Franken an die Geldhändler der internationalen Banken abgetreten. Diese handeln jeden Tag mit 5000 Milliarden Devisen mit dem einzigen Ziel, aus den Währungsdifferenzen Gewinne zu schlagen. Die Auswirkungen auf die betroffenen Volkswirtschaften interessieren sie nicht.

Nach der Kapitulation der Nationalbank geben sie für die Schweizer Währung den Takt an. Das tägliche Handelsvolumen in Schweizer Franken und die täglich ausgelöste Volatilität sind weit jenseits dessen, was die Schweizer Realwirtschaft verkraften und die Nationalbank steuern kann. Der Franken aus dem kleinen Währungsraum ist für die Geldhändler ein geradezu ideales Spekulationsobjekt. Wenig Geldeinsatz kann viel bewegen. Darin unterscheidet sich der Schweizer Franken vom Dollar, vom Euro und vom Yen.

Die Direktoren der Nationalbank wissen es: die Rückkehr zu einer autonomen Steuerung der Währung ist nach diesem Tag eine Illusion. Die Glaubwürdigkeit der Nationalbank und ihrer Verlautbarungen ist dahin, was die Spekulation anheizt.

Die Direktoren der Nationalbank wissen es: die Rückkehr zu einer autonomen Steuerung der Währung ist nach diesem Tag verbaut. Die Glaubwürdigkeit der Nationalbankrepräsentanten, ihrer Verlautbarungen und ihrer Interventionen ist dahin, was die Spekulation anheizt.

Drei Tage vor dem Ausstieg hatte ein Nationalbankdirektor erklärt, der Mindestkurs von CHF 1.20 zum Euro bleibe Pfeiler der Währungspolitik der SNB. Was soll man von solchen Leuten halten? Sie haben ihre zentrale gesetzliche Aufgabe, Preisstabilität zu gewährleisten, total verfehlt und damit immens vielen Leuten grossen Schaden zugefügt. Ihre professionelle Reputation ist weg.

Der 15. Januar 2015 ist ein weiterer Mosaikstein der Neuen Schweizer Politik.

In atemberaubendem Tempo werden attraktive Standortfaktoren zur Disposition gestellt:

  • Stabile und verlässliche Währung (durch die neue Währungspolitik der SNB).
  • Flexibler Arbeitsmarkt (durch die MEI-Initiative).
  • Verlässliches Bankensystem und Schutz der Privacy (durch die rückwirkende Beseitigung des Bankgeheimnisses und automatischen Datenaustausch).
  • Mässige Steuern (durch die Unternehmenssteuer III).
  • Gute Beziehungen zu den Nachbarstaaten und zur EU (durch rechtsnationale Fremdenfeindlichkeit und Attacken auf EU und Nachbarstaaten).
  • Mitgestaltung des in der Schweiz geltenden europäischen Rechts (durch einseitigen Verzicht auf die Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung in den bilateralen Verträgen)
  • Zurückhaaltende staatliche Regulierung von Gesellschaft und Wirtschaft (durch progressive Regulierungslust auf allen staatlichen Ebenen)
  • Beteiligung am europäischen Binnenmarkt (durch die Umsetzung der MEI-Initiative).

Der Zug ist in Fahrt. Das Schweizer Volk bestimmt in Wahlen und Abstimmungen die Richtung. Seit rechtsnationale Parolen und Überschwang die politische Szene vernebeln und die pragmatische nüchterne Politik abgelöst haben, sind die Weichen neu gestellt. In Richtung mehr Instabilität, mehr Unberechenbarkeit. International wird konstatiert, dass Verlässlichkeit und Schweiz nicht mehr zusammengehören.Es wird stürmisch im save haven Switzerland.

17.01.2015

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