Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

NZZ am Abgrund

Es gibt wohl kaum eine Zeitung in der Schweiz, die Politik und Wirtschaft mehr gute Ratschläge erteilt, wie man es besser machen sollte, als die Neue Zürcher Zeitung.

Derart geballtes Knowhow sollte eigentlich in der Lage sein, die aktuellen Umbrüche in der Medienwelt zu bewältigen und das Unternehmen NZZ, Print und Online, wieder in ruhiges Fahrwasser zu lenken.

Offenbar ist aber das Erteilen guter Ratschlägen einfacher als das Umsetzen.

Die NZZ befindet sich ökonomisch in schwieriger Lage. Die Ereignisse der letzten Wochen lassen erahnen, dass deswegen auf der Kommandobrücke Panik ausgebrochen ist. Und besonders schlimm: niemand dort liest in der eigenen Zeitung die täglich publizierten Empfehlungen über gutes Unternehmertum in Krisenlagen.

Der Verwaltungsrat schliesst die eigene Druckerei und lässt seine Zeitung beim Hauptkonkurrenten Tagesanzeiger drucken. Auf diese Idee kommt man wohl kaum als Leser des Wirtschaftsteils der NZZ. Stellt man mangels Analyse in der NZZ auf den gesunden Menschenverstand ab, erscheint die Druckereischliessung Ausdruck grosser Hilflosigkeit. Denn: welcher Unternehmer macht sein wichtigstes Produkt, ja seine ganze Firma, auf Gedeih und Verderben von seinem Hauptkonkurrenten abhängig?

Die anschliessende Entlassung des Chefredaktors und die Wahl eines Nachfolgers aus der rechtsnationalen Szene hinterlassen den Eindruck absoluter publizistischer Ahnungslosigkeit. Der Verwaltungsrat ist offenbar der Ansicht, er könne die NZZ mit der Verbreitung rechtsnationaler Parolen zu neuer Blüte führen. Dass das nicht der Meinung der NZZ-Redaktoren entspricht, ist inzwischen bekannt. Der Auserwählte hatte eben erst noch heftig für die Goldinitiative geworben und damit auch seinen wirtschaftspolitischen Sachverstand in trübstes Licht gerückt.

Ein ungemütliches Signal an die Leser und die Öffentlichkeit ist es so oder so. Hat der NZZ-Verwaltungsrat die rechtsnationale Scheuklappen-Ideologie bereits so verinnerlicht, dass er darauf in der Schweiz wirtschaftlich, publizistisch und politisch bauen will? Der Gewählte hat dann absagt, was als Peinlichkeit für das Wahlgremium  in die NZZ-Geschichte eingeht.

Schwer vorstellbar, wie diese Führungscrew die NZZ aus dem Nebel führen will. Das Risiko, dass sie mit ungelesener NZZ in der Hand in den Abgrund stolpert, ist unübersehbar.

15.12.2014

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