Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Rechtsnationalismus

Schweiz

Die einheimischen Rechtsnationalen sind eine veritable politische Macht, mit 55 SVP-Nationalräten, 7 SVP-Ständeräten, 2 SVP-Bundesräten.

Dazu kommen je nach Region zahlreiche SVP-Anhänger in kantonalen Regierungen und Parlamenten, Gemeindeexekutiven und Gemeindeparlamenten.

Auch unter den Beamten bei Bund, Kantonen und Gemeinden fühlen sich 20-30% der SVP zugehörig, ebenso in den Gerichten.

In etwa gleichem Ausmass sind SVP-Anhänger bei den Medien und in der Wählerschaft verbreitet.

Ausländerfeindlichkeit, EU-Feindlichkeit, Ressentiment gegen Andersdenkende und Anderslebende, Sympathien für Autokraten, Ausbau des Polizeistaates, Protektionismus und Landwirtschafts-Subventionen sind die politischen Kernthemen der SVP.

Europa

Schaut man sich in europäischen Parlamenten nach analogen rechtsnationalen Parteien um, wird man schnell fündig:

  • in Deutschland: die Alternative für Deutschland (AfD), seit 2013, mit Björn Höcke/Alice Weidel
  • in Österreich: die Freiheitliche Partei (FPÖ), seit 1955, mit Strache und Kickl
  • in Italien die Fratelli d’Italia – Alleanza Nationale, seit 1995, mit Meloni, und die Lega, seit 1989, mit Salvioni
  • in Frankreich das Rassemblement National – Front national, seit 1972, mit Le Pen
  • in Grossbritannien die UK Independence Party, seit 1993, früher mit Nigel Farage
  • in den Niederlanden die Partij voor de Vrijheid (PVV), seit 2006, mit Geert Wilders
  • in Polen die Prawo i Sprawiedliwość (PiS), seit 2001, mit Jarosław Kaczyński
  • in Ungarn die Fiatal Demokraták Szövetsége (Fidesz), seit 1988, mit Victor Orban

u.v.a

Rechtsnationalismus ist ein verbreitetes Phänomen. Seit Ende der 90er-Jahre sind die Parteien gewachsen. Heute dürften gegen 30% der europäischen Wählerschaft von rechtsnationalem Gedankengut beeinflusst sein.

Die Präsidentschaft von Donald Trump in den Jahren 2017 - 2021 in den USA gab den rechtsnationalen Parteien in Europa zusätzlichen Schub.

Der Alt-Right Anhänger Bannon war Trumps Chefstratege. Vor der Wahl des EU-Parlaments 2019 besuchte er die rechtsnationalen Parteien und versuchte quer durch Europa eine rechtsnationale Koalition zu schmieden. U.a. traf er sich in Zürich mit den AfD-Grössen Weidel und von Storch.

Ideologie

Anhänger der rechtsnationalen Ideologie glauben meist, es gebe einen einzigen legitimen Willen des Volkes, den ihr Führer verkörpert.

Auf dieser Idee basiert der Totalitarismus der Diktaturen. Dort wird die Idee in die Realität umgesetzt. Beispiele sind Russland, China, Saudiarabien, Nordkorea, die Türkei etc. Ausbau des Polizei- und Sicherheitsapparats in der Hand des Führers und totale Überwachung der Bevölkerung mit elektronischen Mitteln sind Merkmale des modernen Totalitarismus.

Völkischer Nationalismus ist die Kernbotschaft der Führer an ihre Anhänger.

Daraus folgen die Ablehnung der Europäischen Union, Fremdenfeindlichkeit, permanentes Schüren der Immigrations-Angst, Ressentiments gegen Andersdenkende und anders Lebende, Verständnis für Diktatoren und Autokraten. Alle rechtsnationalen Parteien haben ähnliche politische Handlungsfelder. Ausländerfeindlichkeit hat stets erste Priorität und findet bei den Parteigängern am meisten Anklang.

In all diesen Parteien finden sich Putinfreunde. Der russische Diktator versteht sich als völkisch fixierter, religiös verbrämter Führer einer gesunden Nation mit Führungsanspruch auf dem Globus. Die freiheitlichen westlichen Demokratien betrachtet er als dekadent. Er hat ihnen den Kampf angesagt, was bei den europäischen und amerikanischen Rechtsnationalen gut ankommt.

Dasselbe gilt für seine imperialistischen Fantasien von einem grossen, von ihm beherrschten Reich.

Die Parolen der Rechtsnationalen sind überall dieselben:

  • In Österreich, Strache, FPÖ: „Österreich zuerst!“
  • In Frankreich, LePen, Front nationale: „Frankreich zuerst!“
  • In den USA, Trump, GOP: „America first!“
  • In Deutschland, Weidel, AfD : „Unser Land zuerst!“ und „Unser Land. Unsere Regeln.“
  • In Italien, Meloni, FdI : “Italien und die Italiener zuerst!“
  • In der Schweiz, SVP-Maurer : “Schweiz zuerst!“

usw.

Zum Ideengut gehören in vielen Ländern u.a. Verschwörungstheorien, white supremacy, religiöser Fundamentalismus, Anti class politique, Anti-Intellektualismus, Kreationismus, Anti-Feminismus, Anti-Abortion, Homophopie, Anti-Semitismus.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nährte sich der Faschismus aus ähnlichen ideologischen Quellen des völkischen Nationalismus. Resultat war der 2. Weltkrieg mit Millionen Toten. Eine Garantie, dass sich die Geschichte nicht wiederholt, gibt es nicht. Die Parole "Nie mehr Krieg" ist gut gemeint.

Anhänger

Rechtsnationale Parteien scharen Aktivisten hinter sich, die von der pluralistischen liberalen Demokratie enttäuscht sind und von einem Führer geführt werden möchten. Ein Führer, der ihnen die Welt erklärt, ihre Welt in Ordnung bringt, wenn notwendig mit Gewalt gegen Andersdenkende. Ein Führer, der sie vor fremden Leuten und Ideen schützt und für ihre ökonomische Absicherung sorgt.

Rechtsnationale Führer liefern laufend einfache Antworten auf komplexe Fragen, mit Rückgriffen auf Gewaltvorstellungen. Das ist Stoff für die Medien und macht sie populär. Undurchdringliche Mauern werden den Anhängern versprochen, mehr Polizei, mehr Ausschaffungen, Abbruch von Beziehungen, religiöser Fundamentalismus, um alles Fremde auszusperren. Und sie versprechen schnelle Umsetzung, sobald sie an der Macht sind.

Politiker aus andern Lagern gelten als Sündenböcke, die für die eigene unbefriedigende Lage verantwortlich gemacht werden. Nur eine einzige politische Ausrichtung gilt als legitim. Diversität im Denken wie Handeln ist verpönt.

Beliebt sind – wie im Faschismus der dreissiger Jahre und im totalitären Kommunismus der Sowjetzeit– populistische Massenveranstaltungen mit einem Führer und tausenden zujubelnden Anhängern, wie präsentiert von Trump, LePen, Salvioni, Putin, Xi Jinping etc.

Wo die Rechtsnationalen im politischen System Erfolg haben und bezahlte Posten vergeben können, versammeln sich viele Mitläufer und Trittbrettfahrer. Sie glauben nicht unbedingt an die Ideologie, möchten aber ökonomisch und in ihrer Karriere vom Erfolg dieser Politik profitieren. Letztlich sind sie es, die die Ausbreitung des Rechtsnationalismus befördern.

Wahlanalysen zeigen, wo die Rechtsnationalen in allen Ländern vorwiegend Erfolg haben:

  • bei der ländlichen Bevölkerung,
  • bei Personen mit weniger Ausbildung,
  • bei Personen mit tieferen und mittleren Einkommen,
  • bei der Generation Z und bei älteren Personen,
  • bei religiösen Fundamentalisten.

Die in liberalen westlichen Demokratien während vielen Jahren von den traditionellen Parteien aufgebaute Erwartung, der Staat könne und müsse alle individuellen Probleme aus der Welt schaffen, erweist sich als Bumerang.

Die Erwartungen können nicht erfüllt werden.

Stagnierende oder sinkende Einkommen im Mittelstand erhöhen die Bereitschaft, rechtsnational zu wählen. Die Rechtsnationalen propagieren die Migration als Ursache der persönlichen Stagnation und machen dafür die classe politique verantwortlich.

22.08.2022

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